„Wir haben Mitteleuropa vermessen“ – Die Familien der Geometer: Obenau, Biscontini, Mersich, Tiller, Kraus und Lego – Ein Beitrag von G. Lego und J. T. Obenau

Print Friendly, PDF & Email

Vor 300 Jahren, im Jahre 1718, wurde in Mailand (seit 1714 habsburgisch) durch Johann Jakob Marinoni die „Giunta“ (Giunta di nuovo Censimento Milanese) gegründet. Die Giunta sollte ein gerechtes Steuersystem durch die Erfassung aller Grundstücke der Provinz schaffen, der sogenannte „Mailänder Kataster“ war geboren.

Dieses, auch für ganz Europa beispielgebende Werk Marinonis, war Vorbild bei der Einführung des „Theresianischen Grundsteuerkatasters“ im Jahre 1771 durch Maria Theresia (Regentin der österr. Erblande, Königin von Böhmen und Ungarn) und des durch ihren Sohn Kaiser Joseph II. im Jahre 1785 in Kraft tretenden Josephinischen Katasters. (1786 wurden die Richtlinien des Josephinischen Katasters auch für Ungarn und Siebenbürgen befohlen).

Vor 200 Jahren, Ende des Jahres 1817, erließ Kaiser Franz I. das „Grundsteuerpatent“ zur Erfassung vorerst aller Parzellen der deutsch-sprachigen Kronländer sowie von Böhmen, Mähren, Schlesien, Dalmatien und der italienischen Provinzen. Die Geburtsstunde des Franziszeischen Katasters hatte geschlagen.

Für die Vermessung der ungefähr 50 Millionen Grundstücke (300.000 km2 ) waren eine Unzahl von Geometern und Technikern notwendig. Die Familie Biscontini aus dem westlichen Friaul (seit 1797 österreichisch) ergriff die Chance und Pietro Biscontini war unter den ersten Geometern, die in Dalmatien tätig wurden. Durch die Hochzeit seines Sohnes Aloysius Biscontini mit Augusta Obenau, Tochter des Geometers Franz Joseph Obenau und dessen erster Ehefrau Johanna von Desselbrunner, wurde die Basis für die Verbindung der beiden Familien gelegt, aus der noch weitere Geometer hervorgegangen sind. Beide anderen Töchter des Franz Joseph Obenau aus erster Ehe heirateten ebenfalls Geometer, denen wir noch begegnen werden.

Aus der zweiten Ehe des Franz Joseph Obenau mit Aloisia Lego, Tochter des Franz Maximilian Lego und dessen Ehefrau Anna Maria Freiin Helversen von Helversheim entstammen die beschriebenen Geometer der Familie Obenau.

Als im Jahre 1849 das Patent zur Einführung des Grundsteuerkatasters in Ungarn erlassen worden war, begannen die Geometer, nach der Triangulierung des Gebietes, ihre Arbeit im Jahre 1853 in Westungarn. Die Fertigstellung des Stabilen Katasters für dieses Gebiet erfolgte schon 1856.

Wir finden neben den Geometern der Familie Biscontini auch wieder Franz Joseph Obenau und bereits die Geometer Franz Tiller und Wenzel Kraus, beide Ehemänner von Töchtern des Franz Joseph O. aus erster Ehe.

Zu gleicher Zeit weiteten sich die Arbeitsbereiche weiter nach Osten (Galizien und Siebenbürgen) aus. Danach wurden einige der erwähnten Geometer wieder zurück in den Westen der Monarchie versetzt und begannen in Tirol mit der katastralen Detailvermessung.

Abgeschlossen wurden die Arbeiten am Franziszeischen Kataster im Jahre 1861. Die zivilen Geometer wurden dann teilweise in die neugegründeten „Ämter für die Evidenzhaltung des Grundsteuerkatasters“ (Vorläufer der Bezirks-Vermessungsämter) versetzt, die anderen fanden ihre Aufgabe in der immer wichtig werdenden „Ingenieur-Geodäsie“ beim Straßen-, Eisenbahn- und Kraftwerksbau.

Der Bruder der Aloisia Lego (2. Ehefrau des Franz Joseph Obenau), Emanuel Lego, war der Vorfahre der Geometer der Familie Lego (Karl, Ernst Karl und Günter). Diese hatten bei ihrer Berufswahl ihre Verwandten Biscontini, Obenau und Tiller als große Vorbilder im Auge.

Leutnant Karl Lego als Kriegsgefangener in Krassnaja Reschtka, 1917 (Familienarchiv Lego)

Noch im Jahre 1990 fanden bei der Grundeinlösung für den Bau der Ostautobahn (A4, Wien – Staatsgrenze bei Nickelsdorf) die Unterlagen des Franziszeischen Katasters aus den Jahren 1853-1856 Verwendung.

Leutnant Karl Lego (rechts) nach seiner Flucht aus Sibirien, 1918 (Familienarchiv Lego)

Die Geometer Kirschbaum, Mersich und Szykora gehören durch ihre Einheirat in die beschriebenen Familien auch zu diesem „Geometer-Clan“.

Zu allen Zeiten bestanden Kontakte zwischen den im Artikel erwähnten Personen, Briefe und Fotos in den jeweiligen Familienarchiven können das belegen.

©2018 Günter Lego, Ján Tibor Obenau

WEITERLESEN: http://www.catastrum.hu//docs/5_2018_3_Catastrum_11_39.pdf

 

Dieser Artikel ist erstmalig in CATASTRUM  „Vierteljährliches Katastergeschichtsmagazin“ Band V, Nummer 3 im September 2018 erschienen. (http://www.catastrum.hu) – Chefredakteur: Reisz T. Csaba (MNL), Verantwortliche Redakteurin und Adaption des ursprünglichen Artikels für Catastrum: Dr. Enikő Török (MNL)

 

Summary:

Günter LEGO guenter.lego@aon.at

Ján Tibor OBENAU obi1@panelnet.sk

Günter LEGO – Ján Tibor OBENAU: “We Have Surveyed Europe” – The Families of Obenau, Biscontini, Mersich, Tiller, Kraus and Lego, Landsurveyors

The land tax cadastral ordered in the Habsburg Hereditary Lands in 1817, and finished in 1861, needed the survey of 50 million lands, which required a lot of engineers and technicians. Land surveying dynasties were formulated during the 50 years of activities, the profession of the fathers were followed by the sons, the daughter of the engineer was married by the junior engineer. Several members of the Biscontini, Obenau, Mersich, Tiller, Kraus and Lego families took part in the surveying activities all over the empire, thus also in Hungary. The documents of their work and life have been kept by the families, their memories are fostered, and their stories are introduced to the readers.

Kommentare sind geschlossen.