„Grenzschließungen und Gesundheitspässe“ aus dem Jahr 1608 als Vorbild für 2021?

Ein nicht gänzlich ernst gemeinter Kommentar zum Zeitgeschehen! – Ein Beitrag von Mag. Clemens Spechtler 

Man könnte fast meinen, Salzburger, Tiroler und Bayerische Behörden übernehmen aktuell antiquierte „Strategien“ des 17. und 18. Jahrhunderts zur Eindämmung von Infektionen und Seuchen.

Denn wie sonst könnte der edukative „Ahaaa-Effekt“ zu erklären sein, wenn man das im Oberösterreichischen Landesarchiv (OÖLA) befindliche Register des Kirchenarchivs Mondsee, Konvolut „IX. Polizei – Sanitätsangelegenheiten etc.“, online durchforstet und dort auf folgende Akten-Titel ab dem Jahr 1608 stößt (Die beibelassene Orthographie entstammt dem Exzerpt aus dem Jahr 1928):

  • „Zwei Schreiben an Herrn Perger zu Salzburg wegen Öffnung des gesperrten Passes [Scharflingerpass zu St. Gilgen; Anm.], da in Mondseer Gebiet keine Seuche herrsche, 1608.“
  • „Dekret und Instruktion des Pflegers der Herrschaft Wildenegg, wie man sich bei der Infektion in St. Wolfgang verhalten solle, 1625.“
  • „Patent des Abtes wegen Beichthörens und Kommunizierens in St. Wolfgang während der Infektion, 1625.“
  • „Vorkehrungen wegen Absperrung von St. Wolfgang gegen Salzburg, 1625-26.“
  • „Grenzsperre gegen Salzburg wegen dort herrschender Infektion, 1636.“
  • „Korrespondenz mit den Pfleggerichten zu Thalgau, Hüttenstein und Straßwalchen wegen Absperrung der Grenze gegen Salzburg. Zurückweisung von Wallfahrer nach St. Wolfgang. Passierscheine für Reisende. Kosten der Grenzbewachung, 1679-1681.“
  • „Beschreibung der im Zillertal (Tirol) grassierenden Viehseuche, 1682.“
  • „Bericht an die Landeshauptmannschaft, dass von einer in Salzburg herrschenden Krankheit nichts bekannt ist, 1689.“
  • „Berichte an die Landeshauptmannschaft über Vorkehrungen zur Verhütung der Einschleppung von Seuchen, 1691-1693.“
  • „Gesundheitspässe, 1727 u. 1770.“
  • „Sperre der Grenzen gegen Bayern wegen der auftretenden Viehseuchen. Vorkehrungen gegen diese. Hilfsmittel, 1754, 1764.“
  • „Bericht an das Kreisamt, dass eine Verlegung der bestehenden Friedhöfe [wegen Infektionsgefahr; Anm.] nicht notwendig ist, 1786.“

Folgende Syncro-Abbildung (Quelle: mapire.eu) zeigt den oben zitierten historischen Boden samt Landesgrenze OÖ/SBG aus dem 18. Jahrhundert vs. 2019. Die gepunktete Landesgrenze ist am Südost-Ufer des Mondsees gut zu sehen, und bewegt sich westwärts durch den Ort Scharfling und den Eglsee in den Wald hinein. Ebenso ist St. Gilgen am Wolfgangsee (auch Aber-See genannt) gut zu sehen, welches bis 1848 zur Herrschaft Hüttenstein gehörte. Zwischen St. Gilgen und Scharfling am Mondsee liegt der Scharflinger-Pass, über welchen der seit dem Mittelalter berühmte Wallfahrtsweg von Regensburg über Altötting (Bayern) und St. Gilgen (SBG) nach St. Wolfgang (OÖ) führte. Folgende Quelle hat der Autor dankenswerterweise in einem online ÖFR-Stammtisch erhalten: https://www.pilgerwege.at/pilgerwege/fuss-pilgerwege/wolfgangweg/ .

Grenzsperren also im Jahr 1608, Verhaltensrichtlinien schon 1625, Gesundheitspässe und Passierscheine zumindest seit 1679. Wenigstens die Friedhöfe durften bleiben!

Immerhin haben wir im Jahr 2020 Maske, Abstand und Händewaschen eingeführt. Haben sich aber etliche andere Maßnahmen der Gesundheitsbehörden und Regierungen im Jahr 2021 (im Lichte fehlender Impfdosen) so wenig weiterentwickelt, obwohl der Erkenntnisstand aus mehr als 250 Jahren medizinischer und epidemiologischer Forschung verfügbar wäre?

Diese Frage drängt sich mir als medizinisch völlig ungebildetem Betriebswirt und interessiertem Geschichtsforscher einfach auf.

P.S.: Was hätten wohl Pioniere der EU (EGKS, EWG, EG) wie Konrad Adenauer, Joseph Bech, Johan Willem Beyen, Alcide de Gasperi, Walter Hallstein, Sicco Mansholt, Jean Monnet, Robert Schuman, Paul-Henri Spaak und Altiero Spinelli zu diesen mittelalterlich anmutenden Grenzmachenschaften gesagt?

 

Zum Autor:

Mag. Clemens Spechtler studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften inkl. Wirtschaftsgeschichte an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und war 14 Jahre lang in Konzernen tätig. Seit 2015 ist er mit ,MEIN LEKTOR‘ als Diplomarbeits-Coach und Lektor selbständig tätig, weiters ist er Verfasser und Ersteller von Chroniken, siehe: https://www.meinlektor.at/leistungen-mein-chronist/

Arbeitsbeispiele:

https://oefr.at/2019/10/21/familie-friesacher-aus-anif-schreibt-geschichte-eine-familienchronik-von-c-spechtler/

https://oefr.at/2020/12/14/100-jahre-wasser-fuer-groedig-eine-bemerkenswerte-chronik/

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