Wenn man in Niederösterreich forscht, hat man das Glück, auf zahlreiche digitalisierte Quellen aus der Zeit der Grundherrschaften zugreifen zu können. Doch wie findet man diese wertvollen Ressourcen für die eigene Forschung? Im Rahmen meines Projektes »Haus und Hof« recherchiere ich regelmäßig in diesen Beständen. Deshalb will ich meine Erfahrungen bzw. meine Herangehensweise kurz schildern und abschließend anhand von Beispielen veranschaulichen.
Bis zur Aufhebung der Grundherrschaften im Jahr 1848 haben diese zahlreiche Quellen zum Leben ihrer Untertanen hinterlassen. Das Alte Grundbuch ist eine wichtige Ressource zur Erforschung Hausgeschichte, welches man bis in die 1880er-Jahre weiterhin führte, ehe es vom Neuen Grundbuch abgelöst wurde. Ab jener Zeit waren die Grundbücher nach Katastralgemeinden organisiert und werden heute vom jeweils zuständigen Bezirksgericht aufbewahrt. Dazu gibt es keine Digitalisate.
Neben dem Grundbuch führten die Grundherrschaften noch weitere Bücher und Protokolle. In Gewährbüchern wurden die Änderungen der Besitzverhältnisse der untertänigen Güter verzeichnet. Allfällige Schulden, Pfandrechte und Hypotheken fanden ihren Platz in den Satzbüchern. Wenn jemand eine Liegenschaft käuflich erworben hat, dann wurde dies in Kaufprotokollen verzeichnet. Alles rund um die Trauungen der Untertanen führte man in den Heiratsprotokollen auf. In den Inventurprotokollen hielt man die Nachlassabhandlungen fest. Wenn unmündigen Kinder erbten, wurde dies in den Waisenprotokollen dokumentiert.
Diese und weitere Quellen machen die Lebensumstände der Ahnen greifbarer und eröffnen spannende neue Forschungsmöglichkeiten. Vor allem wenn die Kirchenbücher nicht weiterhelfen, fehlerhaft sind oder gar fehlen. Leider ist die Quantität der erhaltenen Quellen je nach Grundherrschaft sehr unterschiedlich. Bei manchen Grundobrigkeiten kann man ohne Probleme bis in die frühe Neuzeit zurück forschen, während es bei anderen bereits im 18. Jahrhundert nur wenige Möglichkeiten gibt. Hinzu kommt, dass vor allem geistliche Grundherren Unterlagen einbehalten haben und diese in eigenen Archiven verwahren.
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Ermittlung der Grundherrschaft
Am Anfang der Recherche in den grundherrschaftlichen Quellen steht die Suche nach der zuständigen Grundherrschaft. Im Rahmen meines Projektes »Haus und Hof« versuche ich immer die Grundobrigkeit der Liegenschaften vor über 200 Jahren zu ermitteln. Teilweise konnte ich bereits konkrete Hinweise auf die Alten Grundbücher einarbeiten, was die weitere Recherche ungemein erleichtern kann. Das Projekt wächst stetig, dennoch konnte ich weite Teile des Landes noch nicht bearbeiten. Für diese Regionen liefern die Topographischen Landschematismen erste Hinweise auf die Grundherrschaften. Dort werden zu jeder Ortschaft die »Grundherrschaften, die daselbst Unterthanen und Grundholden haben« aufgelistet. Allerdings erhält man keine Hinweise für einzelne Häuser. So kann es notwendig sein, mehrere Herrschaften zu durchsuchen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Gut recherchierte heimatkundliche Literatur kann ebenfalls ein Ausgangspunkt für die eigene Recherche sein.
Haus und Hof: https://huh.oefr.at/
Topographischer Landschematismus A-M (1795): https://www.noela.findbuch.net/php/view.php?link=30362e3030x5&force_html=1#&path=http://augias.noel.gv.at/06_Gerichtsarchive/06.00.%20Nachschlagewerke/C-0184-0A/C-0184-0A_0001.jpg
Topographischer Landschematismus N-Z (1795): https://www.noela.findbuch.net/php/view.php?link=30362e3030x6&force_html=1#&path=http://augias.noel.gv.at/06_Gerichtsarchive/06.00.%20Nachschlagewerke/C-0184-0B/C-0184-0B_0001.jpg
Topographischer Land-Schematismus oder Verzeichniss aller im Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns befindlichen Ortschaften A-L (1822): https://www.noela.findbuch.net/php/view.php?link=30362e3030x7&force_html=1#&path=http://augias.noel.gv.at/06_Gerichtsarchive/06.00.%20Nachschlagewerke/D-0151A/D-0151A_0001.jpg
Topographischer Land-Schematismus oder Verzeichniss aller im Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns befindlichen Ortschaften M-Z (1822): https://www.noela.findbuch.net/php/view.php?link=30362e3030x8&force_html=1#&path=http://augias.noel.gv.at/06_Gerichtsarchive/06.00.%20Nachschlagewerke/D-0151b/D-0151B_0001.jpg
Recherche in den Findmitteln
Das Niederösterreichische Landesarchiv (NÖLA) bietet eine Auflistung der Bestände im Rahmen einer Findbuch-Seite an. Die Archivalien zu den Grundherrschaften findet man vor allem bei den jeweils zuständigen Kreis- und Bezirksgerichten jeweils unter der Systematikgruppe »Grundherrschaftliche Provenienz«. In Niederösterreich gab es vier Kreisgerichte in Korneuburg/Stockerau, Krems, St. Pölten und Wr. Neustadt, die weitestgehend die Landesviertel abdecken. Als untergeordnete Ebene im Verwaltungsapparat fungierten die zahlreichen Bezirksgerichte.
Ein guter Ausgangspunkt bei der Recherche ist die Suche nach den Kreisgerichtsbeständen, da dort zumeist Bezugsbestände und somit Hinweise auf weitere Quellen in der Beschreibung aufgelistet sind. Auf jeden Fall ist es zielführend, die unterschiedlichen Bestandsgruppen zu einer Grundherrschaft zu sichten, um auf eine möglichst breite Quellenbasis für die eigene Forschung zugreifen zu können. Dann kann man gezielt in diesen Beständen weitersuchen. Auffällig ist, dass vor allem jüngere Archivalien bei den Bezirksgerichten gelandet sind.
Dazu ist es hilfreich zu wissen, dass die Herrschaften nach der Aufhebung verpflichtet waren, die letzten Bestände an das zuständige Bezirksgericht abzuliefern. So sollte ein möglichst reibungsloser Übergang in der Verwaltung gewährleistet werden. Zeitlich ältere Bestände findet man eher bei den Kreisgerichten. Jedoch kann man keine allgemeingültigen Aussagen dazu machen. Sonderfälle gibt es, wenn das Kreis- und Bezirksgericht deckungsgleich war, wie etwa in St. Pölten.
Der Ausspruch »Wien ist anders« hat auch hier seine Berechtigung. Es gibt die Bestände des Landesgerichtes Wien für jene Herrschaften, deren Sitz in Niederösterreich außerhalb Wiens lag. Weitere Aufzeichnungen von Grundherrschaften mit Besitzungen im Randgebiet von Wien wurden im »Archiv Wien« zusammengeführt. Einige Bestände zu Herrschaften in Niederösterreich sind jedoch nicht im Niederösterreichischen Landesarchiv zu finden, sondern beispielsweise im Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) oder im Oberösterreichischen Landesarchiv (OÖLA). Dies war vor allem der Fall, falls sich der Hauptsitz der Herrschaft außerhalb von Niederösterreich befand.
Zahlreiche Digitalisate sind direkt im NÖLA Findbuch verfügbar. Ergänzend dazu gibt es Bestände zu einigen Herrschaftsarchiven, die aktuell nur im Lesesaal eingesehen werden können.
Bestände der Kreisgerichte im NÖLA-Findbuch: https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#30362e30312e
Bestände der Bezirksgerichte im NÖLA-Findbuch: https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#30362e30322e
Bestände des Landesgerichts Wien: https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#30362e30332e
Bestände »Archiv Wien« im NÖLA Findbuch: https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#30362e30342e
Herrschaftsarchive im NÖLA Findbuch: https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#30342e
Recherche bei FamilySearch
Aktuell wurden noch nicht alle Archivalien zu den grundherrschaftlichen Aufzeichnungen direkt im NÖLA Findbuch online gestellt. Doch es gibt mit FamilySearch eine Ausweichmöglichkeit. Dort können nach der Registrierung zahlreiche weitere Digitalisate kostenlos eingesehen werden. Es gibt nun zwei Möglichkeiten, diese Bestände zu nutzen. Die Aufzeichnungssuche hat den Vorteil, dass sie etwas leichter zu bedienen ist. Allerdings wurden nicht alle Bestände auf diese Weise erfasst und vieles ist so nicht auffindbar. Mit der Aufnahmensuche findet man zielgerichtet deutlich mehr Digitalisate. Allerdings muss man hier die Signatur im NÖLA Findbuch vorab recherchieren.
Aufzeichnungssuche
- Im Menü Suche auswählen
- Auf Aufzeichnungen klicken
- Unter Eine Sammlung suchen im Feld Titel der Sammlung nach Österreich Herrschaftsakten 1537-1920 suchen
- Auf Alle 8.171.455 Aufnahmen (die Zahl wird hoffentlich laufend größer) klicken
- Unter den beiden Punkten Österreich findet man verschiedene Bestände zu einzelnen Grundherrschaften
FamilySearch – Aufzeichungssuche: https://www.familysearch.org/search/
Aufnahmensuche
- Im Menü Suche auswählen
- Auf Aufnahmen klicken
- Auf Mehr Optionen klicken ohne einen Ort auszuwählen
- Im Feld Schlagwort die Signatur aus dem NÖLA Findbuch mit doppelten Anführungszeichen eingeben (z.B. “BG Mank 11”)
- Auf Suchen klicken
Später kann das Feld Schlagwort über die Erweiterte Suche ein- und ausgeblendet werden. Wenn die Schreibweise im NÖLA Findbuch keine Ergebnisse liefert, ist es sinnvoll, unterschiedliche Schreibweisen zu versuchen. Im NÖLA Findbuch wird das Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs geschrieben. Bei FamilySearch findet man es unter der Schreibung Waidhofen/Ybbs. Aufgrund der mangelhaften Verortung der Digitalisate ist es leider nicht zielführend, die Ortssuche zu verwenden.
FamilySearch – Aufnahmensuche: https://www.familysearch.org/records/images/
Beispiel Haus und Hof
Die Tafern im Ort Diesendorf zwischen Oberndorf an der Melk und St. Leonhard am Forst ist bereits bei »Haus und Hof« erfasst. Wenn man auf den Punktmarker zum Haus klickt, erhält man direkt erste Informationen. Im herunterladbaren PDF zu dieser Liegenschaft findet man einen Hinweis auf das Alte Grundbuch.
Haus und Hof: https://huh.oefr.at/karte/?id=5856
Grundherrschaft: Plankenstein
Seitenverweis: 20
Signatur (NÖLA): BG Mank 11/1
Direkt im NÖLA Findbuch gibt es leider keine Digitalisate. In der Aufnahmensuche auf FamilySearch wird man jedoch schnell fündig. Einfach unter Schlagwort “BG Mank 11” eingeben und dann das gewünschte Digitalisat mit der passenden Bezugsnummer auswählen.
https://www.familysearch.org/records/images/search-results?keyword=%22BG%20Mank%2011%22&page=1
Dann noch die Seite 20 im Buch suchen und man ist bereits bei den gesuchten Informationen.
Beispiel Landschematismus
Ausgangspunkt unserer Suche ist das Haus Aalfang 14 bei Gmünd in den Protokollen zum Franziszeischen Kataster aus dem Jahr 1823.
Die Grundherrschaft dazu ist noch nicht bekannt. Deshalb schlagen wir im Topographischen Landschematismus nach. Hier stoßen wir bereits auf das erste Problem: der Ort Aalfang ist unter Eilfang zu finden, da die Schreibweisen vor 200 Jahren noch nicht vereinheitlicht waren. Die Grundherrschaften Eisgarn und Heidenreichstein werden aufgelistet.
Weiter geht es im NÖLA Findbuch bei den Kreisgerichtsbeständen. Unter »KG Krems 047« findet man die Propstei Eisgarn und unter »KG Krems 098« die Bestände zur Herrschaft Heidenreichstein. Bei der Beschreibung des Bestandes werden die Bezugsbestände aufgeführt. Für Heidenreichstein findet man folgende Hinweise: BG Dobersberg 6/1-4; BG Litschau 1/1-133; BG Schrems 9/1-9; BG Waidhofen/Thaya 21/1-7; NÖLA, HA Heidenreichstein.
KG Krems 098 (NÖLA Findbuch): https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#4b47204b72656d7320303938
Da Aalfang einst im Gebiet des Bezirksgerichtes Litschau lag, geht dort die Suche weiter. Die Bestände sind direkt im NÖLA Findbuch digital verfügbar und zahlreiche Archivalien können erforscht werden. Im Alten Grundbuch findet man Aalfang 14 auf dem Folio 647
BG Litschau 01 (NÖLA Findbuch): https://www.noela.findbuch.net/php/main.php#4247204c69747363686175203031
BG Litschau 1/4, f. 647 (NÖLA Findbuch): https://www.noela.findbuch.net/php/view.php?link=4247204c69747363686175203031x4#&zoom=0.1&path=http://augias.noel.gv.at/06_Gerichtsarchive/Bezirksgerichte/Grundherrschaftliche%20Provenienz/Litschau/BG_Litschau_01/BG_Litschau_01-004/BG_Litschau_01-04_00397.jpg
Literatur
»Die niederösterreichische Grundherrschaft« von Helmuth Feigl
https://www.vlknoe.at/publikationen/detail/die-niederoesterreichische-grundherrschaft-vom-ausgehenden-mittelalter-bis-zu-den-theresianisch-josephinischen-reformen-2-aufl
»Handbuch für Heimat- und Familienforschung in Niederösterreich«
Herausgeber Willibald Rosner und Günter Marian
https://www.noe.gv.at/noe/Landesarchiv/Publikationen_Landesarchiv.html
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