Nachdem immer wieder die Frage diskutiert wird, wo Selbstmörder, Duellanten, aber auch Hingerichtete beerdigt wurden, hier eine kleine Zusammenstellung der wesentlichen rechtlichen Vorschriften im 19. Jahrhundert.
Noch unter Joseph II. wurde verordnet, dass der Körper des Selbstmörders, „wenn er sogleich tot geblieben oder ohne Reue gestorben“ ist, durch den Schinder eingescharrt werden soll. Hätte der Selbstmörder noch vor dem Tod Reue gezeigt, so sollte ihm nur die ordentliche Grabstelle versagt und die Leiche ohne Begleitung und Gepränge eingegraben werden.i
Im § 92 des 2. Teiles des Gesetzbuches über Verbrechen und schwere Polizey-Übertretungen vom 3. Sept. 1803 wurde die Beerdigung folgendermaßen geregelt:
„Ist der Tod wirklich erfolgt, so ist der Körper des Selbstmörders, bloß von einer Wache begleitet, an einen außer dem Leichenhofe gelegenen Ort gebracht, und durch gerichtliche Diener verscharret.“ii
Selbstmörder aus Wahnsinn sollten nach den Verordnungen des böhmischen Guberniums vom 28. Juli 1806, vom 15. Mai 1807, Z. 14324 und vom 18.August1818, Z. 37039 auf dem Leichenhofe, jedoch in Stille und ohne Prunk begraben werden. Auch die Verordnung des Steiermärkischen Guberniums vom 21. Sept. 1806 erläutert dies.iii
Auch Bestimmungen für Duellanten und zum Tod verurteilte Verbrecher waren vorgesehen:
„Ist aus dem Zweykampfe der Tod eines Theiles erfolget, so soll der Todtschläger mit zehn- bis zwanzigjährigem schweren Kerker gestrafet, der Leichnam des Getödteten aber, wenn er auf der Stelle todt geblieben ist, unter Begleitung der Wache auf einen außer der gewöhnlichen Begräbnißstätte gelegenen Ort eingeschattet werden.“iv – „Der Körper des Hingerichteten muß bei einbrechender Nacht abgenommen werden, und neben dem Richtplatze eingescharret, auch das Strafgerüst zu gleicher Zeit weggeräumt werden.“v
Im Jahre 1850 wurden die geltenden Bestimmungen novelliertvi:
„Die Vorschriften der §§. 90-92 des II. Theiles haben zu entfallen, und es ist an der Stelle des strafgerichtlichen Einschreitens bei einem versuchten Selbstmorde durch die politische Behörde die Belehrung des Thäters mittelst des Seelsorgers, oder nach Umständen dessen Unterbringung in einer öffentlichen Heilanstalt oder sonstigen Verwahrung; bei einem vollbrachten Selbstmorde aber die Beerdigung des Leichnams in der Stille und in dem Friedhofe zu veranlassen.“
1857 wurden neue Verordnung erlassen, die eine kommissionelle Untersuchung über die Zurechnungsfähigkeit des Selbstmörders und eine Mitteilung des Befundes an den Seelsorger vorsahen.vii Dieser Erlass wurde 1873 vollinhaltlich aufgehoben und durch den Erlass des k.k. Ministeriums des Innern vom 24. August 1873, Z. 11.727 ersetzt:viii
„Das Ministerium des Innern findet im Einvernehmen mit den Ministerien der Justiz, wie des Cultus und Unterrichts die Minist.-Verordn. vom 7. October 1857, Z. 8827, womit besondere Vorschriften über die Beerdigung der Selbstmörder und über ein derselben jeweilig vorhergehendes Untersuchungsverfahren ertheilt wurden, vollinhaltlich aufzuheben.
Hiernach hat in solchen Fällen für die Bestimmung des Begräbnisortes die Anordnung des Art. XVI des kais. Patentes vom 17. Jänner 1850, R.-G.-Bl. Nr. 24, dass die Beerdigung der Selbstmörder in der Stille und in dem Friedhofe zu veranlassen ist, für die Verwaltungsorgane als ausschließliche Norm zu gelten.
Selbstverständlich bleibt hierbei die Berechtigung der kirchlichen Organe, die Bestattung der Selbstmörder auf dem Friedhofe mir rituellen Functionen zu begleiten oder die Vornahme solcher Functionen abzulehnen, gänzlich außer Frage.“
Mit diesem Erlass wurde die durch Erlass vom 7. Oktober 1857, Z. 8827 vorgeschriebene kommissionelle Untersuchung über die Zurechnungsfähigkeit des Selbstmörders und Mitteilung des Befundes an den Seelsorger abgestellt. Nunmehr war die Bestattung ohne Rücksicht auf Zurechnungsfähigkeit im Friedhof vorgeschrieben. Ab jetzt oblag die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit dem Seelsorger. Wenn eine den Gebrauch der Vernunft hemmende Krankheit, Melancholie, Gemütsverwirrung oder Irrsinn wahrzunehmen war, konnte die Beerdigung „in kirchlicher Weise“ nach Vorleben des Selbstmörders und Überzeugung des Pfarrers vorgenommen werden.
Die Pfarrer durften das kirchliche Begräbnis nicht verweigern, ohne vorher den Bischof (für jene Pfarren, die weniger als vier Meilen vom Bischofsitz entfernt waren) bzw. den Dechant (für die entfernteren Pfarren) befasst zu haben.ix
Zurechnungsfähige Selbstmörder sind nach oben angeführten Erlass ebenfalls am Friedhof zu beerdigen. Hinsichtlich der im Duell Gefallenen legte das Wiener Provinzialkonzil fest, dass das kirchliche Begräbnis zu verweigern ist, sofern vor ihrem Tod kein Zeichen der Reue gezeigt wurde. Für Militärpersonen bestanden gesonderte Bestimmungen.x
Beerdigung von Hingerichteten
Gemäß § 404 der Strafprozessordnung war der Leichnam des Hingerichteten bei Nacht ohne Aufsehen an einem besonders dazu bestimmten Platz zu beerdigen. Wenn keine Bedenken bestanden, konnte der Leichnam auch den Familienangehörigen zur Beerdigung übergeben werden, die Beerdigung hatte auch in diesem Fall in Stille und ohne Gepränge stattzufinden. Solange die Leiche nach der Hinrichtung nicht weggebracht worden war, war der Zutritt niemanden außer Familienangehörigen, Verteidiger, Gericht, Sicherheitsbehörden und Staatsanwaltschaft zu gestatten.xi
Eintragung in das Sterbebuch
In das Sterbebuch waren alle jene Fälle einzutragen, welche sich im Pfarrsprengel ergaben ohne Berücksichtigung des Wohnortes. Insbesondere waren einzutragen totgeborene Kinder, gewaltsame Todesfälle, Todesfälle infolge von Unglücken, Verstorbene, die kein kirchliches Begräbnis erhalten hatten sowie Hingerichtete. Weiters waren einzutragen Personen, die zwar außerhalb verstorben waren, jedoch zur Beerdigung überführt worden waren.xii
Fußnoten:
i § 123 des I. Teils des Josephinischen Strafgesetzbuches vom 3. Jänner 1787, Hofdekret vom 31. Jänner, böhmische Gubernialverordnung vom 11. Februar 1787, Z. 3809, weiters: Pfleger Severin, Ritter von Wertenau: Die Matriken der Katholiken der Akatholiken, und der Israeliten, Strauß sel. Witwe, Wien 1836
ii Strafgesetzbuch vom 3. September 1803, Einführung des neuen Strafgesetzes über Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen (online: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=pgs&datum=1803&page=406&size=45 zuletzt abgefragt 5.8.2019), trat für die gesamten deutschen Erblande der österreichischen Monarchie am 1. 1. 1804 in Kraft.
iii Pfleger Severin, Ritter von Wertenau: Die Matriken der Katholiken der Akatholiken, und der Israeliten, Strauß sel. Witwe, Wien 1836, Seite 231
vi Patent vom 17. Jänner 1850, Reichsgesetzblatt Nr. 24, Seite 284, wirksam für alle jene Kronländer des Reiches, in welchen das Strafgesetzbuch vom 3. September 1803 in Rechtskraft steht; http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=rgb&datum=1850&page=398&size=45 zuletzt abgefragt 5.8.2019
Art. XVI (Seite http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=rgb&datum=1850&page=400&size=45
vii Ministerial-Verordnung vom 7. Oktober 1857, Z. 8827, womit besondere Vorschriften über die Beerdigung der Selbstmörder und über ein derselben jeweilig vorhergehendes Untersuchungsergebnis ertheilt wurde.
viii Siehe auch: Seidl Carl: Matrikenführung nach den in Österreich geltenden Gesetzen und Verordnungen, 3., vermehrte und verbesserte Auflage, Manz, Wien 1897, Seite 374-375
ix Wiener Povinzialkonzil 1858, Tit. IV, Cap. XIV, veröffentlicht im Wiener Diözesanblatt 1874, Nr. 13
x Seidl, Seite 374
xi Seidl, Seite 376
xii Seidl, Seite 346
Literatur:
Grießl Anton: Kirchliche Vorschriften und österreichische Gesetze und Verordnungen in den Matrikenangelegenheiten, Ulrich Mosers Buchhandlung, Graz 1891
Mayrhofer Ernst : Handbuch fuer den politischen Verwaltungsdienst in den im Reichsrathe vertretenen Koenigreichen und Laendern mit besonderer Beruechsichtigung der diesen Laendern gemeinsamen Gesetze und Verordnungen, Band 2, Manz, Wien 1876 – https://books.google.at/books?id=t4XuL0Wh06AC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false (20.5.2020)
Posch Siegfried: Die Matrikenführung – Zusammenstellung sämtlicher gegenwärtig geltender staatlicher Vorschriften über das Matrikenwesen einschließlich des Ehewesens, Buchdruckerei der o.ö. Landesregierung, Linz, ohne Jahr
Prucha P.: Die oesterreichische Polizeipraxis mit besonderer Bedachtnahme auf jene der Wiener Polizei-Direktion: Mit einem Inhaltsverzeichniss und ausführlichem Sachregister, Manz, Wien 1877, Seite 207 f. – https://books.google.at/books?id=YnNaSsfPyHEC&dq=selbstm%C3%B6rder+Bestattung&hl=de&source=gbs_navlinks_s (20.5.2020)
Pfleger Severin, Ritter von Wertenau: Die Matriken der Katholiken der Akatholiken, und der Israeliten, Strauß sel. Witwe, Wien 1836 – https://books.google.at/books?id=FXcRAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false (20.5.2020)
Seidl Carl: Matrikenführung nach den in Österreich geltenden Gesetzen und Verordnungen, 3., vermehrte und verbesserte Auflage, Manz, Wien 1897
Katholische Kirche Erzdiözese Salzburg: Verordnungsblatt der Erzdiözese Salzburg, Band 10, 1873/VIII, Nr. 24., Seite 99 (Vorschriften in Betreff der Beerdigung der Selbstmörder)
Ordinariat, 1876 – https://books.google.at/books?id=CJ6FM5EdMBIC&dq=selbstm%C3%B6rder+Bestattung&hl=de&source=gbs_navlinks_s (20.5.2020)
Bilder
Titelbild: Galgen bei Messern, Niederösterreich – Duke of W4, Galgen bei Messern – Pano, CC BY-SA 3.0 AT
Galgen bei Messern – Auf dem Galgenberg nordwestlich des Ortes befindet sich eine weithin sichtbare mittelalterliche Richtstätte, von der drei gemauerte Rundpfeiler mit Pfostenlöchern erhalten sind. Duke of W4, Galgen bei Messern, CC BY-SA 3.0 AT