Die Jugend am Wort! Ein Interview mit Fabio Curman

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Familien- und regionalgeschichtliche Forschung sind Themen, die quer über die Generationen hinweg Menschen bewegen und in Bewegung bringen. So auch eines der jüngsten Mitglieder der ÖFR, Fabio Curman. Wir wollten genauer wissen, was ihn als 17-Jährigen daran fasziniert, wie er sich in diesem Bereich engagiert und welche Rätsel der Familiengeschichte er bereits lösen konnte.

Fabio Curman in der Gedenkstätte in Schörzingen, Baden-Württemberg
Foto: Fabio Curman, 2019

Das Gespräch führte Gabi Rudinger.

Erzähl unseren Leserinnen und Lesern ein wenig über dich – woher kommst du, was machst du schulisch oder beruflich?

Ich bin 17 Jahre alt und besuche die HTL. Mein Heimatort ist Brederis, ein 1.200-Seelen-Dorf im oberen Rheintal in Vorarlberg.

Siehst du Parallelen zwischen deiner technischen Ausbildung und dem, was du in der genealogischen Forschung brauchst?

Eindeutig ja. Die rationale Vorgehensweise, wie sie zum Beispiel in der Mathematik angewendet wird, ist auch für die Genealogie wichtig.

Du zählst sicherlich zu den Jüngsten im Bereich der Hobbygenealogie. Wie bist du zur Familienforschung gekommen?

Dafür gab es verschiedene Auslöser. Einer davon war der Film „Leusorg“ aus dem Jahr 2011, der die Lawinenkatastrophe von 1954 in Vorarlberg zum Thema hat. Ich war acht Jahre alt, als ich diesen Film zum ersten Mal gesehen habe. Meine Mutter hat mir damals erzählt, dass einer meiner Urgroßväter dort gelebt hat. Dieser persönliche Bezug zu einem historischen Ereignis hat mein Interesse an der Regionalgeschichte geweckt. Es war sozusagen eine „Initialzündung“. Meine frühere Volksschullehrerin sagt heute noch, dass sie keine anderen Schülerinnen oder Schüler hatte, die so sehr an Heimatkunde interessiert waren wie ich. Ich setzte mich mit der Geschichte der Walser Wanderungen auseinander. Die Walser kamen im 12. und 13. Jahrhundert nach Vorarlberg und leisteten Pionierarbeit in der Urbarmachung der Landschaft. Schon damals hatte das Auswirkungen auf die Natur – es kam jeden Winter zu schlimmen Lawinenabgängen.

Ein zweiter wesentlicher Punkt war mein Bedürfnis, die Ungewissheit über das Schicksal eines anderen Urgroßvaters aufzuklären. Er lebte in Prekmurje, einer historischen Region im äußersten Nordosten des heutigen Slowenien. 1940 wurde Prekmurje von den Ungarn besetzt, als Widerständler wurde mein Urgroßvater politisch verfolgt und im November 1944 verschleppt. Meine Urgroßmutter hat Zeit ihres Lebens nie erfahren, was mit ihm passiert ist. Auch seine vier Kinder – das älteste war gerade einmal fünf Jahre alt – litten unter der Ungewissheit. Das hat mir keine Ruhe gelassen, und vor kurzem konnte ich nach zweijähriger Arbeit und mit der Unterstützung von vielen Menschen herausfinden, dass er zuerst nach Budapest, von dort ins KZ Dachau und anschließend ins KZ Schömberg kam, wo er ermordet wurde.

Ich habe durch diese beiden Forschungen ein ganz anderes Verständnis für Natur und Geschichte gewonnen, sozusagen eine andere Wahrnehmung.

Viele unserer Leserinnen und Leser kennen dich als Gründer und Moderator der Facebook-Gruppe „Ahnenforschung in Slowenien“. Was hat dich dazu bewogen, die Gruppe mit Unterstützung von Leopold Strenn zu gründen?

Meine Vorfahren väterlicherseits stammen wie vorhin kurz angesprochen aus Prekmurje. Ich konnte nur deutschsprachige Facebook-Gruppen für Krain, Küstenland, Untersteiermark, etc. finden, aber keine, die Prekmurje einschließt. Ich wurde auch gefragt, warum ich eine weitere Gruppe gegründet habe, obwohl es bereits ähnliche gibt. Der Vorteil liegt für mich auf der Hand: Ich finde es sehr wichtig, über heutige und frühere Grenzen hinweg eine Gruppe für die slowenische Forschung zu haben, in der ich Fragen stellen kann und von Expertinnen und Experten für die unterschiedlichen Teilregionen Antworten bekomme.

Welche Regionen zählen neben Slowenien zu deinen weiteren Forschungsgebieten?

Die Walsergebiete Vorarlbergs, das Vorarlberger Oberland, Osttirol, Trentino, Galizien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Bayern und Baden-Württemberg.

Bist du neben deiner Tätigkeit für die Facebook-Gruppe auch in anderen Bereich aktiv engagiert?

Ich bin seit rund zwei Jahren Mitglied der IGAL, der Interessensgemeinschaft Ahnenforschung Ländle und dort seit einem Jahr Referent für Jugend und Social Media. Darüber hinaus bin ich ehrenamtlich im Pfarrarchiv meines Heimatortes tätig. Den Kulturverein Volk-Land-Zukunft unterstütze ich derzeit bei Recherchen für zwei neue Buchprojekte, die sich mit der Dorfgeschichte und Häusern befassen.

Was ist deiner Meinung nach für Jugendliche das Spannende an genealogischer Forschung?

Viele Geschichten und Informationen geraten über die Jahre hinweg in der Familie in Vergessenheit. Es bereitet mir immer große Freude, diese wiederzuentdecken. Im Kontakt mit anderen Forscherinnen und Forschern aus dem Walsertal habe ich schon mehrmals Einzelheiten aus dem Leben meiner Urgroßeltern oder sogar Ur-Urgroßeltern erfahren, die niemand in der Familie mehr gewusst hat.

Gibt es aus deiner Sicht für Jugendliche Herausforderungen zu Beginn dieses Hobbys, vor denen ältere Anfänger eventuell nicht stehen?

Neben den üblichen Startschwierigkeiten wie Kurrent oder Forschen im Ausland ist das ganz klar das Standesamt. In den meisten Fällen hatte ich zum Glück noch in der Familie ausreichend Dokumente, um gleich in den Kirchenbüchern forschen zu können. Doch wenn man aufgrund der Sperrfristen zuerst am Standesamt beginnen muss, kostet das zuerst einmal viel Überwindung. Ich habe da sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen gemacht.

Gibt es einen bestimmten Forschungserfolg, der dich besonders gefreut hat?

Ja, da gibt es zwei. Zum einen, als ich wie vorhin schon erwähnt den Sterbeort und das Sterbedatum meines Urgroßvaters herausfinden konnte. Er war ein Opfer des NS-Regimes, und 74 Jahre lang wusste niemand etwas über seinen Verbleib.

Ein anderer Erfolg war eher zufällig. Eigentlich war ich auf der Suche nach Geschwistern meines damals noch lebenden Uropas. Er galt als eheliches Kind zweier Osttiroler – aber es stellte sich heraus, dass das völlig falsch war. Zwei Monate nach seinem Tod konnte ich Einsicht in seinen Pflegschaftsakt nehmen und fand darin tatsächlich den Namen seines leiblichen Vaters. Mein Uropa war also das uneheliche Kind eines Knechts aus dem Nonstal und einer verheirateten, von ihrem Mann getrennt lebenden Osttirolerin. Ich fand sogar noch weitere Kinder meines neu entdeckten Ur-Urgroßvaters und stehe nun mit der jüngsten Schwester in regelmäßigem Kontakt. Mit Hilfe der DNA-Genealogie konnte ich über genetische Übereinstimmungen mit diesen anderen Nachkommen auch bestätigen, dass er tatsächlich der Vater meines Uropas war.

Welche weiteren genealogischen Projekte hast du aktuell in Überlegung?

Die weitere Forschung an meinem Stammbaum ist auf alle Fälle ein Thema. Derzeit versuche ich, möglichst viel auch über die Nebenlinien meiner Vorfahren in Erfahrung zu bringen. Und durch den neu gefundenen Ur-Urgroßvater gibt es ja eine völlig neue Linie, in die ich eintauchen kann.

Darüber hinaus arbeite ich auch bei GenTeam mit. Die Matriken von Buchboden habe ich bereits vollständig indiziert, und nun arbeite ich an der Pfarre Blons.

Danke für das Gespräch!

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