Das Heimatrecht vom 19. zum 20. Jahrhundert

Anton H., dritter Sohn des Johann H. und der Maria, geboren 1847 in Göttersdorf, Böhmen, (nordwestlich von Komotau) macht sich auf den Weg nach Wien, um dort auf Arbeitssuche zu gehen. Er ist von Beruf Zimmermann. Mit 31 Jahren heiratet er die in Wien geborene Anna Maria B. Durch die Heirat erhält seine Gattin die Heimatberechtigung ihres Ehemanns, der wie sein Vater in Uhrissen, einem Nachbarort von Götterdorf heimatberechtigt ist. Das Ehepaar bekommt zwei Kinder. Bald nach der Geburt des zweiten Kindes hat der junge Vater Anton H. einen Arbeitsunfall und stirbt an inneren Verletzungen. Seine verwitwete Frau steht nun mit zwei Kindern alleine da. Zu allem Überdruss verschlechtert sich ihre gesundheitliche Situation, sodass sie nicht einmal stundenweise einer Arbeit nachgehen kann, sie wird ein Sozialfall. Was passiert mit ihr? Sie wird in jene Gemeinde, in der sie das Heimatrecht, infolgedessen auch Anspruch auf Armenversorgung hat, also nach Uhrissen abgeschoben. Sie kennt dort niemand, sie war auch niemals in Göttersdorf, wo die Verwandten ihres Mannes leben, und natürlich auch nicht in Uhrissen.

Heinrich Bürkel: Bettlerüberfall an italienischer Poststation

In Wien waren 1894 ca. 9000 Personen dem Schub unterworfen (4000 zu-, 5000 abgeschoben) , in Niederösterreich waren dies 1886 36.000 Menschen.

Mehr dazu in einer Chronologie der wichtigsten Bestimmungen des Heimatrechts im ÖFR-Wiki auf https://wiki.oefr.at/Staatsb%C3%BCrgerschaft_-_Heimatrecht

Bild:

Heinrich Bürkel (1802-1869): Bettler überfallen eine Postkutsche vor einer Poststation in den Pontinischen Sümpfen

Ein Kommentar

  1. Gibt es eine Fortsetzung dieser traurigen Geschichte? Wie war das weitere Schicksal der Anna Maria und ihrer Kinder?

    Ovid

Kommentare sind geschlossen