Geburt oder Tod auf einem Handels-, Kriegsschiff oder auf einem Schiff auf dem Bodensee?

Das ehemalige Österreich-Ungarn hatte einen direkten Zugang zum Mittelmeer. Handels- und Kriegsschiffe durchquerten die Meere, und natürlich gab es auf diesen Schiffen auch Personenstandsfälle (Geburten, Taufen und Todesfälle).
Für Genealogen stellt sich in diesem Zusammenhang sofort die Frage, wo die entsprechenden Matriken zu finden sind.

Wie war das Procedere? 1.)

Unabhängig davon, ob es sich um In- oder Ausländer handelte, waren bei Geburten, Taufen und Todesfällen Aufzeichnungen zu führen, um einerseits einen Nachweis, andererseits eine Grundlage für die daraus resultierenden Dokumente zu haben.
Bei einer Geburt auf österreichischen Handelsschiffen hatte der Schiffsführer den Schiffsleutnant (Schiffsschreiber) und zwei Zeugen innerhalb von 24 Stunden beizuziehen und sich vom Geschlecht und der Identität des Kindes und der Mutter zu überzeugen und ein Protokoll anzufertigen. Eine Verwandtschaft der Zeugen mit Schiffsführer und Schiffsleutnant (bzw. Schiffsschreiber) war nicht zulässig.
Das Protokoll hatte Tag, Stunde der Geburt, Namen des Schiffsführers, des Schiffsleutnants, der Zeugen, Namen, Stand und Alter der Mutter, ihr Vaterland, Wohnsitz und Heimatzuständigkeit sowie das Geschlecht des Kindes zu enthalten.
Ist ein Mann anwesend, der sich als ehelicher Vater erklärt, seine Identität durch zwei dem Schiffsführer bekannte Zeugen und den Trauungsschein bestätigt, wird das Kind als ehelich geboren eingetragen. Genauso war vorzugehen, wenn der Vater nicht anwesend war, aber entweder zwei Zeugen die Verehelichung mit der Kindesmutter bestätigten oder der Trauschein vorgelegt wurde.
Die Eintragung des Vaters bei unehelicher Geburt war wie sonst bei Matrikeneinträgen nur dann zulässig, wenn er dies verlangte und zwei Zeugen die Identität und seinen Namen bestätigten.
Das Protokoll war von der Kommission (Schiffsführer, Schiffsleutnant oder Schreiber und Zeugen) als auch von der Mutter bzw. den anwesenden Eltern zu unterfertigen.
Erfolgte eine Taufe vor oder bei der Geburtsaufnahme, war diese ebenfalls in das Protokoll aufzunehmen.
Bei Todesfällen während der Fahrt war in ähnlicher Art vorzugehen, zu protokollieren waren u.a. die Art des Todes oder der Krankheit.

Entbindung oder Todesfall auf einem k.k. Kriegsschiff

Auf Kriegsschiffen war sinngemäß vorzugehen. Die Kommission bestand aus Schiffskommandant, einem Schiffadministrationsbeamten und zwei Zeugen. War ein Auditor anwesend, so hatte dieser statt des Administrationsbeamten die Aufnahme der Protokolle vorzunehmen, war ein Marinekaplan vorhanden, so hatte dieser die Aufgabe wahrzunehmen. Wenn der Marinekaplan die Geburts-, Tauf bzw. Totenscheine ausstellte und diese vom Schiffs-Kommandaten als richtig bestätigt wurden, entfielen die Protokolle, die Scheine waren als Nachweis gültig.

Philipp von Stubenrauch: Österreichische Marine 1820, gemeinfrei

Auch Duplikate gab es!

Die Geburts-, Tauf- und Sterbeprotokolle waren auf Handelsschiffen in zweifacher Ausfertigung zu führen und inhaltlich zur Gänze in das Schiffstagebuch einzutragen. Für die Kriegsschiffe war eine dreifache Ausfertigung der Geburts-, Tauf- und Sterbeprotokolle bzw. -scheine vorgeschrieben.
Bei der ersten Einfahrt in einen österreichischen Hafen, in einen Hafen mit österreichischem Konsulat oder einer österreichischen Gesandtschaftsbehörde waren die beiden Exemplare der Hafenbehörde bzw. dem Konsulat oder der Gesandtschaftsbehörde zu übergeben. Die Behörden hatten zwei Exemplare an die Central-Seebehörde in Triest weiter zu leiten, welche ein Exemplar behielt, das andere bei Inländern an die politische Landesstelle des Wohnortes, bei Militärangehörigen an den zuständigen Truppenkörper, bei Ausländern an die betreffende ausländische Regierung weiterzuleiten hatte. Für Handelsschiffe im Bereich der Küsten des Militärgrenzgebietes gab es abweichende Regelungen.
Die Landesstelle bzw. der Truppenkörper hatten über die „Oberen“ die Eintragung der Geburt bzw. des Todesfalles in den Matriken des Heimatortes zu veranlassen.
Bei Geburts- und Todesfällen auf k.k. Kriegsschiffen war sinngemäß vorzugehen, wobei eines (das dritte) der Exemplare dem Marine-Oberkommando zu übermitteln war.
Unabhängig von den Einträgen in die Matriken hatten die auf Handels- und k.k. Kriegsschiffen angefertigten Protokolle und ausgestellten Geburts-, Tauf- und Totenscheine die Kraft öffentlicher Urkunden.

… und auf dem Bodensee?

Auch auf dem Bodensee mit seinen heutigen Anrainerstaaten Deutschland, Schweiz und Österreich kamen Geburten eines Kindes oder noch häufiger der Tod eines Mitglieds der Besatzung oder eines Passagieres immer wieder vor.
Der Bodensee bedurfte besonderer Regelungen, da es im Bodensee keine Staatsgrenze gibt. Es gilt die Kondominiumtheorie, bei der die hoheitlichen Aufgaben von den Anrainerstaaten gemeinsam wahrgenommen werden. 2)
Aufgrund eines Übereinkommens zwischen der königlich bayrischen, der königlich württembergischen, großherzoglich badischen und der k.k. österreichischen Regierung wurde am 7. Jänner 1880 folgende Regelungen erlassen: 3)

1.) Geburts- und Sterbefälle in unmittelbarere Umgebung des Seeufers waren durch den Standesbeamten des betreffenden Uferbezirks wahrzunehmen.
2.) Alle anderen Fälle – also jene außerhalb der unmittelbvaren Umgebung des Ufers – waren durch den Standesbeamten desjenigen Bezirkes zu beurkunden, in welchem das jeweilige Schiff, auf dem sich Geburt bzw. Tod ereignete bzw. die Leiche aus dem See aufgenommen wurde, seinen regelmäßigen Standort hatte.
3.) Wurde festgestellt, dass diese Regelung in keiner Weise die Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee präjudizieren solle. Ebenfalls sollte durch diese Regelung nicht den Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit in Verlassenschafts-Angelegenheiten vorgegriffen werden.
4.) Schlussendlich wurde noch festgelegt, dass die gegenseitige Mitteilung von Geburts- und Todesfällen an die anderen Uferstaaten nach bestehenden oder zu vereinbarenden Bestimmungen zu erfolgen hätte.

 

1.) Registrierung der auf österreichischen Handels- und k.k. österreichischen Kriegsschiffen vorkommenden Geburts- und Todfälle von Civilpersonen: 292. Verordnung der Ministerien des Innern, der Finanzen und des Cultus, dann des Marine-Oberkommandos vom 25. August 1860 (nicht online)
2.) Kondominiumstheorie: https://de.wikipedia.org/wiki/Kondominium
3) Matrikulierung der auf dem Bodensee vorkommenden Geburts- und Sterbefälle: 293. Erlass des Ministeriums des Innern vom 7. Jänner 1880, Z. 2581 (nicht online)

Bild: Philipp von Stubenrauch: Österreichische Marine 1820, gemeinfrei

 

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